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Regensdorf
28.8.1996

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Ein Velo, das ein Auto ist

Auf der Verkaufsbroschüre der Twike AG steht über das jüngste und erfolgreichste Kind aus der E-Mobilbranche: "Die nachhaltige Mobilität nimmt Gestalt an". Der kleine Betrieb aus Gelterkinden BL stellt an verschiedenen Meetings sein Produkt vor, nicht selten sind die Anlässe von interessierten Freiwilligen organisiert und von auch Twike-FahrerInnen besucht. Dabei kann mensch sich von den Vorzügen des Twike überzeugen lassen. Und weil wir uns überzeugen liessen, dass das Twike nicht einfach eine Marotte von ein paar bescheuerten Oeko-Freaks, sondern eine valable Alternative zu "konventionellen" Fahrzeugen wie Velo und Auto ist, haben wir uns die Sache an einem solchen Meeting in der Schleuderschule Regensdorf mal genauer angesehen.

Die Geschichte des Twike beginnt schon vor zehn Jahren, als ETH-Studis für eine Ausstellung für E-Mobile das Twike I konstruierten. Zusammen mit Alusuisse entstand 1990 ein erster echter Prototyp, das Twike II. Das Twike III wurde dann, nach ausgiebigen Tests (30'000 km Fahrt) als Pilotserie von 200 Exemplaren gebaut und an Interessierte (einer Genossenschaft ähnlich) verkauft. Die 200 TestfahrerInnen beteiligten sich dann auch an den Entwicklungskosten, konnten also nach bis zu drei Jahren Warterei ihr Twike in Empfang nehmen und damit rumfahren. Jetzt ist die Pilotserie bald fertig und ausgeliefert. Die Twikes werden im Val-de-Travers (nomen est omen?) durch eine AG mit fünf Mitarbeitern und einem Aktienkapital von 400'000 SFr. gebaut, immerhin die grösste AG im Bezirk Sissach BL.

Das Twike ist - um ehrlich zu sein - eine Art Ei auf Rädern, ein dreirädriges Tandem, das nach dem Hybridsystem funktioniert. Im Normalfall läuft das Ding mit "normalem" Strom aus Batterien, kann mit einer Ladung (ca. 2 Std.) je nach Aufwand 40-80 km weit fahren und bringt mit seinem 5 kW-E-Motor immerhin fast 90km/h Höchstgeschwindigkeit auf die Bahn, kann also theoretisch sogar auf die Autobahn. Das Alugehäuse macht aus dem Teil ein Fliegengewicht von etwa 250 kg Leergewicht (inkl. Batterien!), zuzüglich zwei Personen und Gepäck.

So kann das Twike als Stadtauto alle wichtigen Voraussetzungen erfüllen, einerseits fasst es Gepäck (z.B. beim Einkauf), andererseits kann mensch es überall abstellen, es gilt insofern als "dreirädriges" Motorrad (ist also mit dem Töffausweis fahrbar). Trotz aller Enge ist das Teil nicht unbequem, bietet Schutz vor Wind und Wetter, und es stinkt nicht im Stadtverkehr - die FussgängerInnen und JoggerInnen lassen danken. Und problemlos recyclierbar ist das Teil mit seinem Alu- und Kunststoffgehäuse auch noch.

Der eigentliche Witz am Twike ist der Hybridantrieb, er ist also sowohl per E-Motor, als auch mit Muskelkraft (über Pedale an beiden Sitzen) zu fahren. Dabei ist der ausgekügelte Pedalantrieb eigentlich mehr eine angenehme Ergänzung und nicht unbedingt notwendig. Er gibt den Fahrenden die Möglichkeit, während der Fahrt etwas für die Gesundheit zu tun, ohne sich dumm und dämlich trampeln zu müssen. Bei Steigungen und beim Anfahren steigert er ausserdem die Effizienz des Motors. Eine Ladung für den E-Motor kostet bei herkömmlichem (also nicht Solar-) Strom nur ganze 50 Rp., also bedeutend weniger als ein Auto, das bei durchschnittlichen 6 Liter Verbrauch auf 80 km etwa 8 SFr. verpufft - von den indirekten Kosten ganz zu schweigen.

Das Twike ist ein Hi-Tech-Produkt mit Marotten. Das Einsteigen ins enge Cockpit ist nicht so einfach. Das leichte Ding erfordert eine Zusammenarbeit beider Passagiere beim Einsteigen. Das Interieur ist auf den ersten Blick sehr seltsam, ein Bordcomputer kontrolliert die meisten Funktionen, aber gesteuert wird mit einem zentralen Griff und beschleunigt mittels Pedalen auf der Fahrerseite. Ein Joystick mit verschiedenen Funktionen ist der dritte Gegenstand in der Kabine - und damit hat es sich. Ach ja, ein Notabstellknopf vervollständigt den Inhalt. So ist alles mögliche vorhanden, selbst eine Hupe - und die EigentümerInnen können auch sonst einige individuelle Spielereien einbauen. Sie sind übrigens in einem Adressregister aufgeführt, so dass mensch quasi in einen Club mit Magazin und regelmässigen Treffen aufgenommen wird. Probleme gab es gemäss Ralph Schnyder von der Twike AG nur wenige, unter anderem bei Gelenken und der Software, diese Problemchen konnten aber im "engen Kontakt zu unseren Kunden behoben werden".

Was das Fahrgefühl betrifft, so ist das Twike sicher nicht so bequem wie ein Rolls, aber das Ding hat irgendwie seinen Reiz. Mensch ist sehr tief, dadurch bleibt die "Bodenhaftung" recht hoch, das Teil kippt nicht so schnell, wie Gewicht und Lage der Sitze suggerieren. Im Cockpit ist es sehr leise, die Bewegungen des Fahrzeuges sind weich. Aber einen grossen Nachteil hat das Twike nach wie vor: bei einem Unfall mit einem Auto zieht der/die Twike-Fahrende ziemlich den Kürzeren, durch die Leichtbauweise würde das Ding bei einem Frontalcrash geradezu zusammengefaltet werden. Dafür aber, so meinte mein Fahrer, im Privatleben Leiter eines Altersheimes (der sich hie und da den Spass erlaubt, seinen Twike neben den Mercedes seiner Angestellten zu parkieren), dafür aber fahre mensch sehr viel vorsichtiger und risikoärmer, gerade weil nicht haufenweise Blech um einen herumgebaut ist.

Ab Januar 1997 soll ein verbessertes Modell in einer ersten Nachfolgeserie angegangen werden. Spätestens dann wäre das Twike das erfolgreichste und beste Elektrofahrzeug, das auf unseren Strassen verkehrt, die Kosten: etwa gleich viel wie ein Twingo. Aber selbstverständlich hängt alles damit zusammen, dass genug Leute sich für das lustige kleine Teil interessieren.



Für Biwidus: Wildcat (EMail)