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Ein Velo, das ein Auto ist
Auf der Verkaufsbroschüre der Twike AG steht über das jüngste und erfolgreichste Kind
aus der E-Mobilbranche: "Die nachhaltige Mobilität nimmt Gestalt an". Der kleine
Betrieb aus Gelterkinden BL stellt an verschiedenen Meetings sein Produkt vor, nicht
selten sind die Anlässe von interessierten Freiwilligen organisiert und von auch
Twike-FahrerInnen besucht. Dabei kann mensch sich von den Vorzügen des Twike überzeugen
lassen. Und weil wir uns überzeugen liessen, dass das Twike nicht einfach eine Marotte
von ein paar bescheuerten Oeko-Freaks, sondern eine valable Alternative zu "konventionellen"
Fahrzeugen wie Velo und Auto ist, haben wir uns die Sache an einem solchen Meeting in
der Schleuderschule Regensdorf mal genauer angesehen.
Die Geschichte des Twike beginnt schon vor zehn Jahren, als ETH-Studis für eine
Ausstellung für E-Mobile das Twike I konstruierten. Zusammen mit Alusuisse entstand 1990
ein erster echter Prototyp, das Twike II. Das Twike III wurde dann, nach ausgiebigen
Tests (30'000 km Fahrt) als Pilotserie von 200 Exemplaren gebaut und an Interessierte
(einer Genossenschaft ähnlich) verkauft. Die 200 TestfahrerInnen beteiligten sich dann
auch an den Entwicklungskosten, konnten also nach bis zu drei Jahren Warterei ihr
Twike in Empfang nehmen und damit rumfahren. Jetzt ist die Pilotserie bald fertig und
ausgeliefert. Die Twikes werden im Val-de-Travers (nomen est omen?) durch
eine AG mit fünf Mitarbeitern und einem Aktienkapital von 400'000 SFr. gebaut,
immerhin die grösste AG im Bezirk Sissach BL.
Das Twike ist - um ehrlich zu sein - eine Art Ei auf Rädern, ein dreirädriges Tandem,
das nach dem Hybridsystem funktioniert. Im Normalfall läuft das Ding mit "normalem"
Strom aus Batterien, kann mit einer Ladung (ca. 2 Std.) je nach Aufwand 40-80 km weit
fahren und bringt mit seinem 5 kW-E-Motor immerhin fast 90km/h Höchstgeschwindigkeit
auf die Bahn, kann also theoretisch sogar auf die Autobahn. Das Alugehäuse macht aus
dem Teil ein Fliegengewicht von etwa 250 kg Leergewicht (inkl. Batterien!), zuzüglich
zwei Personen und Gepäck.
So kann das Twike als Stadtauto alle wichtigen Voraussetzungen erfüllen, einerseits
fasst es Gepäck (z.B. beim Einkauf), andererseits kann mensch es überall abstellen, es
gilt insofern als "dreirädriges" Motorrad (ist also mit dem Töffausweis fahrbar).
Trotz aller Enge ist das Teil nicht unbequem, bietet Schutz vor Wind und Wetter, und es
stinkt nicht im Stadtverkehr - die FussgängerInnen und JoggerInnen lassen danken. Und
problemlos recyclierbar ist das Teil mit seinem Alu- und Kunststoffgehäuse auch noch.
Der eigentliche Witz am Twike ist der Hybridantrieb, er ist also sowohl per E-Motor, als
auch mit Muskelkraft (über Pedale an beiden Sitzen) zu fahren. Dabei ist der ausgekügelte
Pedalantrieb eigentlich mehr eine angenehme Ergänzung und nicht unbedingt notwendig. Er
gibt den Fahrenden die Möglichkeit, während der Fahrt etwas für die Gesundheit zu tun,
ohne sich dumm und dämlich trampeln zu müssen. Bei Steigungen und beim Anfahren steigert
er ausserdem die Effizienz des Motors. Eine Ladung für den E-Motor kostet bei herkömmlichem
(also nicht Solar-) Strom nur ganze 50 Rp., also bedeutend weniger als ein Auto, das bei
durchschnittlichen 6 Liter Verbrauch auf 80 km etwa 8 SFr. verpufft - von den indirekten
Kosten ganz zu schweigen.
Das Twike ist ein Hi-Tech-Produkt mit Marotten. Das
Einsteigen ins enge Cockpit ist nicht so einfach. Das leichte Ding erfordert eine Zusammenarbeit
beider Passagiere beim Einsteigen. Das Interieur ist auf den ersten Blick sehr seltsam, ein
Bordcomputer kontrolliert die meisten Funktionen, aber gesteuert wird mit einem zentralen
Griff und beschleunigt mittels Pedalen auf der Fahrerseite. Ein Joystick mit verschiedenen
Funktionen ist der dritte Gegenstand in der Kabine - und damit hat es sich. Ach ja, ein
Notabstellknopf vervollständigt den Inhalt. So ist alles mögliche vorhanden, selbst
eine Hupe - und die EigentümerInnen können auch sonst einige individuelle Spielereien
einbauen. Sie sind übrigens in einem Adressregister aufgeführt, so dass mensch quasi in
einen Club mit Magazin und regelmässigen Treffen aufgenommen wird. Probleme gab es gemäss
Ralph Schnyder von der Twike AG nur wenige, unter anderem bei Gelenken und der Software,
diese Problemchen konnten aber im "engen Kontakt zu unseren Kunden behoben werden".
Was das Fahrgefühl betrifft, so ist das Twike sicher nicht so bequem wie ein Rolls,
aber das Ding hat irgendwie seinen Reiz. Mensch ist sehr tief, dadurch bleibt die
"Bodenhaftung" recht hoch, das Teil kippt nicht so schnell, wie Gewicht und Lage der
Sitze suggerieren. Im Cockpit ist es sehr leise, die Bewegungen des Fahrzeuges sind
weich. Aber einen grossen Nachteil hat das Twike nach wie vor: bei einem Unfall
mit einem Auto zieht der/die Twike-Fahrende ziemlich den Kürzeren, durch die Leichtbauweise
würde das Ding bei einem Frontalcrash geradezu zusammengefaltet werden. Dafür aber, so meinte
mein Fahrer, im Privatleben Leiter eines Altersheimes (der sich hie und da den Spass
erlaubt, seinen Twike neben den Mercedes seiner Angestellten zu parkieren), dafür aber
fahre mensch sehr viel vorsichtiger und risikoärmer, gerade weil nicht haufenweise Blech
um einen herumgebaut ist.
Ab Januar 1997 soll ein verbessertes Modell in einer ersten Nachfolgeserie angegangen
werden. Spätestens dann wäre das Twike das erfolgreichste und beste Elektrofahrzeug, das
auf unseren Strassen verkehrt, die Kosten: etwa gleich viel wie
ein Twingo. Aber selbstverständlich hängt alles damit zusammen, dass genug Leute sich für das
lustige kleine Teil interessieren.
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