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Wint. Musikfestwochen I
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Friede, Freude, Eierkuchen und viel Abfall
Das heiss ersehnte Wochenende, das alle Herzen der Raving Society zu BPM-Attacken
verführen sollte, wurde nicht nur von den unzähligen OrganisatorInnen (Parties) und
PartysanInnen (Drogen- und Schlafreserven) wohl geplant, sondern auch durchaus von den
verschiedenen Medien und Biwidus. Als ersten Schwerpunkt nach den Sommerferien versuchen
wir in diesem und dem nächsten Artikel, die Ereignisse der Zeit zwischen dem Samstag
mittag und Sonntag morgen wiederzugeben.
750'000 Wahnsinnige hatten die Strassen Berlins vor einem Monat gesäumt, um die Mutter
aller Techno-Paraden, die Loveparade, mitzuerleben. 41 Jahre nach der "Befreiung" durch
die Rote Armee waren wieder Heere Paradierender durch die Strassen der wiedervereinigten
Hauptstadt aller Deutschen gezogen und die Stadt mit Musik, Freude, Scheisse und
schrägen Looks überzogen.
Diese Zustände wie im alten Rom vor Augen organisierten "Mr. Streetparade"
Marek Krynski und seine Kumpane die Streetparade 1996, die fünfte dieser Art. Einmal
mehr stand der Anlass unter dem Motto "Peace, Love and Unity" (auf deutsch: Friede,
Freude, Eierkuchen"). Seiner Meinung nach als "politischer" Anlass gedacht, sollten
etwa 200`000 Vernarrte und 30 Love-Mobiles vom Mythenquai zum Zürihorn ziehen - tanzend,
dass die (Quai)Brücken wackeln.
Das ist die rosige Theorie, die Realität sah etwas anders aus. 1000 Berichte
in verschiedensten Medien hatten sich auf das Volk eingeschossen und es für den grossen
Nachmittag weichgeklopft - unter anderem auch wir. Einige gaben sich gar keine Mühe,
ihre Distanz zum und ihre Unwissenheit über das Thema zu kaschieren und quatschten
auch weiterhin sorglos von einem "Techno-Rave", was ja ein "sinnloser Pleonasmus" ist.
Keiner konnte sich dem Thema entziehen, TV, Radio und Zeitungen konkurrenzierten sich
damit, wer am intensivsten über diesen exotischen Anlass berichten kann - anscheinend
ein gutes Thema für die Sauregurkenzeit.
Der Tagi vom Vortrag z.B. titelte "Die Raver können kommen" und zeigte auf, welcher
Kommerz hinter diesem Anlass steckt. Läden und fahrende HändlerInnen hatten sich mit
allerhand flüssigem und festem Material eingedeckt, die sie zu Wucherpreisen (offiziell
oder nicht) verhökern wollten. Die Organisatoren hatten sich vieles überlegt, darunter
ein neues Abfallkonzept. Und immer wieder kam die Streetparade mit irgendwelchen
Skandalen und Skandälchen ins Gerede, was dem Ganzen noch mehr Auftrieb gab.
Auch das nationale TV nahm das Thema auf - als eines der wenigen Medien eher
inhaltskritisch - es wies auf den apolitischen Charakter dieser politischen Demo hin -
zumindest im Vergleich zur 80er Generation.
Na ja. Es hatten sich schon sehr früh sehr viele komische Vögel beim Mythenquai eingefunden
und begrüssten die herannahenden Lovemobiles mit aufreizenden Bewegungen und Gejohle.
Das Biwidus-Team verzichtete darauf, Interviews mit DemonstrantInnen zu machen, denn
ausser "geil" und ähnlichen unartikulierten Aussagen wäre dabei nichts herausgekommen.
Einmal mehr ein Beleg für die unpolitische Haltung dieser Generation, die sich nur noch
mittels Körpersprache verständigen kann.
A propos Körper. Auffallend war dieses Mal, dass der Trend, sich möglichst auffällig
aufzumachen, besonders deutlich war. Massenweise völlig Bescheuerter zogen es vor, sich als
sexuell marktfähig zu zeigen. Da soll mal einer sagen, dass der Sexus nicht stärker sei
als die Vernunft. Seien es allersüsseste Chics in höchst anregenden und figurbetonten
Badekleidern oder auch aufgedonnerte Typen in Hot-Pants, die nichts zu wünschen übrig liessen - das
Motto "Freiheit um jeden Preis" wurde bis ins Extrem durchgezogen, Aesthetik wurde zu
einem Fremdwort degradiert, was nicht immer durch sexy Aussehen ausgeglichen wurde. Zum
Teil war der Schreibende nämlich auch dem Erbrechen nahe.
Was solls, 350'000 Junge und Alte, Homos und Heteros, Einheimische, Agglos und auch
"Ausländische" waren nach Zürich gepilgert. Ein cooler (cool waren sie ja alle, wer nicht
cool war und auffiel bis zum Umfallen, hatte an der Streetparade einfach nichts zu suchen)
Technokrat aus Mannheim meinte in einem Anfall von Weisheit:"Zürich ist eine
geile Stadt!". Hat der eine Ahnung! Und eine schnullertragende kaum dem Schutzalter
Entwachsene (eine von hunderttausenden von "Kindern") gab zu, aus dem Aargau zu kommen,
als mensch sie darauf hinwies, dass Nuggis nicht mehr "in" sind. Jedenfalls hatte diese
Stadt noch nie einen solchen Anlass gesehen. Auch nicht in Sachen Geschmacklosigkeit.
Ob 350 oder nur 150, die Schätzungen (in tausend) variieren je nach
Zählweise. Auf alle Fälle waren es unzählige, die sich diese durchorganisierte
Selbstdarstellung einer neuen Generation nicht entgehen lassen wollten. "Fasnacht für eine
neue Generation" nannte ein Zaungast diesen Wahnsinn. An der Fasnacht hat es einfach ein
paar Wahnsinnige weniger (an dieser Stelle müsste eigentlich ein Interveiw mit dem
Direktor des Burghölzli kommen, aber leider kann die Anstalt eh nicht so viele
Irre aufnehmen).
Fazit? Ein Spektakel, das die goldenen Herzen eines jeden Kapitalisten höher schlagen
liesse. Alle verdienten sich dumm und dämlich daran, die Händler, die SBB, die Stadt
(wegen der Steuern), die Partyveranstalter usw. Millionen wechselten die Hand. Das Mühsame
(neben den vielen antiintellektuellen Egomanen) wurde aber in der Schlusserklärung der
Veranstalter an die Medien nur in einem kurzen Satz gestreift: "Einziger Wermutstropfen:
Die vielen illegalen Händler, die den Abfallentsorgern zusätzliche Mühe abverlangten.
Die Veranstalter müssen die Entsorgung selbst bezahlen". Hinter den Kulissen gibt es
nämlich einen Streit zwischen den Streetparadisten und der Stadt, die partout nicht
den Job übernehmen wollte, den enstehenden Abfall aufzuräumen. Und die Partyzanen
drohten sogar, die Streetparade nächstes Jahr in Genf durchzuführen. Was zum Teufel ist
Genf? Gibt es dort auch RaverInnen? Wahrlich ein guter Witz!
Nun ist es ja klar, dass die Organisatoren ihren Scheiss selber aufräumen sollen oder
das zumindest bezahlen sollen - immerhin verdienen sie hunderttausende von Franken mit der
Chose. Da kommen die 32'000 Bucks (Putzkosten vom letzten Jahr) auch nicht mehr darauf an.
Dass ihr "Abfallkonzept" fehlschlagen würde, war klar, denn es gibt keine undisziplinierteren
und umweltfeindlicheren Jugendlichen wie die eingefleischten Egomanen der Raverszene.
Dass eine Sauerei ersten Grades hinterlassen werden würde, müssten auch sie geahnt haben.
Und so war es auch, einem Grünen kam bei dem Anblick wohl die Galle hoch. Sie sollen und werden
nach dem Verursacherprinzip die Schäden übernehmen, die ihre Brüder und Schwestern in
ihrem geistes- und sozialgestörten Egotrip produziert haben. Aber die Stadt ihrerseits
soll auch nicht so anstellen, denn immerhin hat auch sie sich an der Sache bereichern
können - von der Imagepflege ganz zu schweigen.
Kurz zusammengefasst fällt dem Schreibenden die fortschreitende Entwicklung auf, dass
ein Jahrgang nach dem anderen in die Fänge der Konsumsucht und der völligen Entsozialisierung
gerät. Während die bewegten Jugendlichen der 80er ganz naiv forderten:"Macht aus dem
Staat Gurkensalat!" und für eine sozialere und solidarische Gesellschaft auf die Strasse
gingen, fordert die Jugend der 90er eigentlich nur die Freiheit für die eigene Person,
alle Grenzen zu sprengen und sich an keine Regeln halten zu müssen. Das mag durchaus eine
"politische" Forderung sein, aber (gesellschafts)politisch ist das reiner Schwachsinn, insofern
ist die ganze Raveszene zutiefst apolitisch. Trotz aller Sympathie für Techno, eine Jugend,
die nur noch für sich selbst demonstriert, ist nur noch ein Abgesang vernünftigerer Zeiten und
wohl der Nagel zum Sarg einer untergehenden Gesellschaft. Es ist fraglich, ob die
Menschheit das Jahr 2010 überhaupt noch intellektuell überleben wird - so ganz nach
dem Motto "Der Kapitalismus hat nicht gewonnen - er ist übriggeblieben." ;-)
"Peace, Love, Freedom, Tolerance and Unity!" auf dem Internet gibt es unter der
Streetparade-Hompage bis
zum Umfallen. Weitere Pics und Hintergrundinfos (englisch) gibts bei
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