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Der Geiger auf dem Dach
"Wenn ich einma reich bin/If I was a rich man" und "Tradition" sind vielen von
uns ein Begriff. Diese Lieder haben wir im dreistündigen 1972er Kinohit
"Anatevka" mit einem begnadeten Topol als Tevje doch schon gehört. Aber das
Musical wurde schon acht Jahre vorher auf dem Broadway uraufgeführt, nach einem
Stück von Tony-Preisträger Jerry Bock. Nur kurz darauf kam die deutsche
Bühnenfassung heraus, auf der auch die Uebersetzung des Filmes gründet. Anatevka
ist die Geschichte eines Dorfes, das es nicht mehr gibt - schon gar nicht in
dieser Form. Anatevka ist eine ukrainische Stadt aus dem Beginn unseres
Jahrhunderts, ein Dorf mit einer jüdischen Mehrheit, ein Schtetl also. Somit ist
dieses Musical ein Dokument einer Gesellschaft, die Geschichte ist, spätestens
seit dem Anstreicher Hitler.
Das Schtetl Anatevka und die Menschen darin leben nach fest umrissenen Gesetzen
und Traditionen, so auch der bauernschlaue und auf seine eigene Art weise
Milchmann Tevje. Er führt seine sechsköpfige Familie in Gottesfurcht und etwas
Gotteshader durch eine sich wandelnde Zeit. Tempora mutantur, auch für Anatevka.
Die jahrhundertealten jüdischen Traditionen werden immer mehr aufgeweicht und
von aussen geändert, mit diesem Problem hat auch der an sich gutmütige und
bequeme Tevje zu kämpfen. Mit seinen (gefälschten) Bibelsprüchen, seinem Witz
und seinem grossen Herz ist er derjenige in Anatevka, der bereit ist, sich dem
Neuen zu stellen. Muss er auch, denn nacheinander verlassen drei seiner fünf
süssen Töchter das Elternhaus. Zuerst Zeitel, die nach allen Traditionen den
Schneider Mottel heiratet, ausser dass sie als erste die Heiratsvermittlerin
Yente links liegen lässt. Das ginge ja ohne weiteres, sie lieben sich. Die
zweite, Hoddel, nimmt den wirren Revoluzzer Pertschik zum Manne, auch wenn sie
ihm ins sibirische Exil nachreisen muss. Sie lieben sich und bekommen den Segen
des grossherzigen Patriarchen. Schliesslich aber heiratet die dritte, die
hübsche Chavva, den Russen Fedja. Und das bricht sogar Tevje das Herz. Die
Zeiten ändern sich, und die Juden und Jüdinnen von Anatevka müssen am Schluss
ihre Heimat in Richtung Amerika verlassen.
Eigentlich ist es unnötig, die Geschichte von "Anatevka-The Fiddler on the Roof"
zu erzählen, wir kennen sie ja eh alle. Im Winterthurer Theater am Stadtgarten
spielten das Bieler Musiktheater und allen voran Edwin Fabian als Tevje ihre
Rollen routiniert und überzeugend. Routine ist wohl auch der treffende Begriff
zur Leistung des Orchesters, der Tänzer und des nicht in Begeisterung gefallenen
Premierenpublikums. Die Truppe hielt sich 1:1 und wortwörtlich nach der Vorlage
von Jerry Bock und der deutschen Fassung. Die einzige Ausnahme und den
theatralischen Höhepunkt bildete die Traumszene, wo mensch in die Trickkiste mit
Masken, UV-Licht und Stabpuppen gegriffen hat. Sonst hatte das Stück keine Haken
und Oesen und war einfach nur drei Stunden geballte Unterhaltung. Tragödie,
Drama und (jüdischer) Humor verschmolzen zu einer überzeugenden Einheit, die
wehklagende ostjüdische Musik mit Geige und Klarinette liess das Publikum
dahinschmelzen wie Smarties.
Anatevka ist sicher eines der grossen Hits des ablaufenden Jahres für das
Winterthurer Stadttheater, denn hier bläst der Wind der grossen weiten Welt und
der Geschichte in die Eulachstadt, hier aufersteht eine Welt aus der Asche, die
in ihrer ganzen Fremdheit doch so fasziniered ist. Und eben: unterhaltsam war es
auch noch. Anatevka -oder mit dem Zwischentitel The Fiddler on the Roof/Der
Geiger auf dem Dach - ist ein Tip für alle, wenn nicht im Theater, dann doch im
TV oder in der Kinoreprise.
Die Höhepunkte im Nachsaison-Programm des Theaters am Stadtgarten
"Les enfants terribles" von Glass/Marshall (24. Mai)
Ballett- und Bewegungsschule Liba Borak: "Flower Power" - Tanz Show (8. und 9. Juni)
4. Extrakonzert des Musikkollegiums Winterthur (15. und 16. Juni)
Papageno spielt auf der Zauberflöte (28. Juni und 3. Juli)
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