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Bülach
3.5.1996

Konzerte

Max Lässers Madamax

Joachim Witt live

Kruder & Dorfmeister

Harfensphären

Clawfinger

Black Sabbath am OASG

Herbert Groenemeyer

Therapy

Judas Priest

EAV im Volkshaus

Pippo Pollina

Konzert: Sisters of Mercy

Uriah Heep am Touren

U2 in Prag

Dance Night

Die Prinzen in Zürich

Patent Ochsner in Winti

Konzert der Fanta 4

Björn im Xtra

Südstaatenrocker Georgia Satellites

Irisch, punky, cool: Big Geraniums

Mr. Ed Jumps The Gun

Element of Crime

Le _soldat inconnu

Fettes Brot

NO FX

Blümchen

Yothu _Yindi

Urban Cookie Collective

21. Winterthurer Musikwochen

Rainbirds

Gurd

Tic Tac Toe

Gaswerk

Hosen

Aerzte

Transglobal Underground

Die Verleihung des städtischen Pop-Oscars.

Ear

Pippo Pollina

Sina

Altan

Sven Väth

Paradise Lost

Marco Polo

Punk is dead I

Seit spätestens der Dancemusic-Welle ist das der Kampfschrei aller Nichtpunks. Letztere halten ihrerseits auf T-Shirts und nasengerümpften Kommentaren überheblich fest: "Gib Techno keine Chance". Doch wie steht es eigentlich mit "Punk oder nicht Punk", das ist hier die Frage.

Wer gerne Punk hört (oder selber einer ist), kam letzte Woche ganz schön auf seine Rechnung. Innerhalb einer Woche konnte mensch sich fast zu Tode pogen. Den Reigen der grossen Konzerte von Bands, "vor denen uns unsere Eltern gewarnt haben", eröffneten die "Ärzte aus Berlin", die (gemäss eigenen Angaben) "beste Band der Welt". Sie traten in der Stadthalle Bülach auf, also in der massivsten Agglomeration draussen. Ihnen folgten die Düsseldorfer Edelpunks "Die Toten Hosen" im Hallenstadion Zürich. Ausverkauft selbstredend. Schliesslich beendeten die neomarxistisch-kalifornischen Crossover-Meister von "Rage against the machine" die Pogo-Welle. Als erstes sind wir mal in die triefste Provinz gereist, in die Kreisstadt Bülach.

Mit "Planet Punk" meldeten sich die "Ärzte" aus Berlin nach einigen Jahren und fast zur Tradition gewordenen Trennungsgerüchten wieder auf Viva und die Bühnen des deutschsprachigen Raumes zurück. Nachdem sie immer wieder mit verschiedensten X-rated-Punkheulern (angeblich sollen acht von ihren Songs auf der "schwarzen Liste" der Radios sein, gefolgt von EAV) wahre Tophits gelandet hatten, sind Farin, Bela und Rod wieder etwas "normaler", mainstreamiger geworden. "Planet Punk" ist, wie das Konzert auch, durchschnittlicher, fätziger Punk-Sound ohne Haken und Oesen. Ausser "Langweilig" sind die Songs ziemlich anständig, ausser dem "Schunder Song" gibt es kaum eine politische Tiefe (wie im Megahit "Ein Schrei nach Liebe"). Trotzdem haben die Herren eine gute Scheibe und ein gutes Konzert hingelegt.

Bülach, das liegat irgendwo im Unterland und hat eine grosse Stadthalle. Hierhin hatten die Organisatoren gerufen, und der gesamte Agglo-Kindergarten kam. Ich (24) kam mir dabei vor wie ein alter Opa. Ein "Gruftie", wie das im Volksmund heisst. Zugegeben, ich konnte mich nicht selten an diesen Anblicken weiden, aber wenn 14 Jährige in einer pogenden Masse fast erdrückt werden - na, ich weiss nicht. Es herrschte dennoch eine gute Stimmung in Bülach. Das Publikum war während des ganzen Abends zweigeteilt. Die erste Hälfte tanzte, dass die Dielen knarrten, die zweite zog sich das Konzert rein, als wäre es eine CD. Der Hype war gross, Ärzte-T-Shirts die Regel. Ich denke, dass Bülach in letzter Zeit kaum ein so abgefahrenes Konzert erlebt hat. Dafür war die Halle auch angenehm nicht voll.

Die Kids aus der Agglomeration bekamen zwei Stunden reinen Punkrock aus Deutschland zu hören. Die Band (Gitarrist Farin Urlaub, Drummer Bela B. und Bassist Rod) zog alle Register ihres Könnens. Hin und wieder verfielen die Jungs der Clownerei (wie üblich). Das Publikum goutierte es mit Gejohle, wenn Rod im Batman-Kostüm auf die Bühne kam und wenn Bela sich von seinem Stehdrum trennte und auf der Bühne seine Schau abzog. Immer wieder der letzte Schrei sind die Sprüche der Band, die auch diesmal nicht zu kurz kamen. Fleissig machte man sich gegenseitig runter (boasten hiesse das in der Rapsprache). Im Gegensatz zu den seriöser wirkenden Hosen sind die "Ärzte", wie ihr Publikum in Bülach, noch Kinder - aber in einem postiven Sinn.

Die Höhepunkte waren ganz klar der Hit "Ein Schrei nach Liebe", wo das Publikum fast ausrastete (vor allem beim "Arschloch!"). Dieses Lied ist und bleibt eines der besten der Ärzte, weil sie hier die komische und die politische Komponente des Punkrock genial zusammenbringen. Ein weiterer Höhepunkt war die gekonnte Rapeinlage bei "Verpiss dich", wo Farin, Bela und Rod sogar den Fantas aus Stuttgart und den beiden Rödelheimern Ehre gemacht haben. Hier demonstrierten sie ihre Vielseitigkeit. Farin beispielsweise soll sich ernsthaft überlegen, ob er nicht lieber Rappen würde als Gitarrespielen. Ein negativer Höhepunkt war schliesslich, als die Ärzte TT (Take That) verarscht und alle das megacool gefunden haben. Ich nehme nicht an, dass die Band das als echte Hommage an die britischen Kiddie-Starlets geplant hatte, aber scheints war ein Grossteil des Publikums auch TT-Fan (bei dem Alter kein Wunder!). Beliebigkeit ist das Zeichen der Postmoderne. Damit haben nun auch Punkrocker zu kämpfen.

Alles in allem: gute Abendunterhaltung für Leute (wie uns), die gerne Spass und gesellschaftliches Engagement (sprich Politik) miteinander vereinen. Ein gelungener Abend für Agglo-Punkfans. Aber es fehlte der revolutionäre Touch, der Aufstand, den Bands wie die "Äerzte" eigentlich auslösen müssen. Was solls. Tatsache ist: Punk is not dead (yet)!



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus der Stadthalle Bülach