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9.4.1996

Geschichte

Der Sonderbundskrieg 1847

Kulturgüterschutz

ExilschweizerInnen

Fresken an der Brunnengasse

Kantonale Denkmalpflege

Stefan Zweig

Notgrabungen in Nänikon-Uster

Römische Töpferwaren

Stefan Zweig goes Zurich

Gemäss Lexikon war er ein gebürtiger Wiener, Spross einer kleinbürgerlichen jüdischen Familie und wurde im Jahr 1881 geboren. 1942 wählte er den Freitod im brasilianischen Exil. Stefan Zweig ergatterte sich in seinen 61 Lebensjahren den Ruf, einer der beliebtesten und politisch bedeutendsten Schriftsteller deutscher Sprache zu sein. Gleichzeitig Erzähler, Essayist, Biograph, Lyriker und Dramatiker von "formaler Farbigkeit und Eleganz", machte er sich auch einen Namen als wichtiger Handschriftensammler von "Kollegen", insbesondere aus dem 19. Jahrhundert. Zweig kannte viele der wichtigsten Persönlichkeiten seiner Zeit .Zuckmayer, Gide, die Gebrüder Mann, Freud und Werfel, alle zählte er sie zu seinem Freundeskreis.

Zweig schrieb einige noch heute bedeutende Werke, seien dies Romane, allen voran die "Schachnovelle" oder Biographien, wie diejenigen über Erasmus oder Balzac. Im Gegensatz zu vielen "alten" Autoren ist Zweig aber gerade in den letzten Jahrzehnten wiederentdeckt worden. Nachdem er in den Zwischenkriegsjahren einer von vielen und danach ziemlich vergessen gegangen war, gab es Mitte der 70er einen regelrechten Zweig-Revival, getragen unter anderem auch durch den Grosserfolg seines im Exil geschriebenen Spätwerks "Die Schachnovelle", die zum must aller Mittelschulen des deutschsprachigen Raumes geworden ist. Was dabei viele nicht wissen, ist, dass Zweig kurze Zeit auch in Zürich (genauer: Rüschlikon) gelebt hat, während der Zeit des ersten Weltkrieges nämlich.

Zürich setzt zur Zeit dem Dichter ein Denkmal. Keineswegs, so meinte Stadtpräsident Sepp Estermann anlässlich der Eröffnung der Ausstellung "Die Welt von gestern. Stefan Zweig (1881-1942): Leben und Werk eines Europäers", um sich ein reines Gewissen zu verschaffen. Unsere Vaterstadt hatte den grossen Mann nicht gerade voller Begeisterung empfangen und ihm die ganze Verachtung der erzkonservativen Schweiz gegenüber Neuem und insbesondere gegenüber Flüchtlingen zu spüren gegeben. Nein, Zürich wolle seinen Beitrag leisten, den vielfältig kulturell aktiven Zweig aufzuzeigen. Eigens hierfür wird im Museum Strauhof eine Ausstellung gezeigt, die in der Wahlheimat des Dichters, in Salzburg nämlich, zusammengestellt worden war. Nach den Feierlichkeiten zum 50. Todestag hat die Wanderausstellung mehrere Städte besucht und macht nun für einen Monat Halt in Zürich.

Der Eröffnungsakt war lang und langweilig, neben unserem Stapi traten weitere Persönlichkeiten aus Politik und Kultur auf, unter anderem der Bürgermeister von Salzburg und die Schauspielerin Senta Berger. Versammelt im Zürcher Stadthaus war die vollzählige bildungsbürgerliche Kulturelite unserer Stadt und der Umgebung, kurz: hunderte von alten, keinen Bezug zur Volks- und Jugendkultur mehr findenden Relikten aus jener Zeit. Entsprechend wenige Junge. Danach bewegte sich der Zug in den Strauhof. Zweig in Ehren, aber solche Veranstaltungen zeugen doch von einem ziemlich elitären Kulturbegriff, scheint mir.

Kurz zur Ausstellung selbst: Im unteren Stock werden (übersichtlich) die verschiedenen Etappen und Aufenthaltsorte des Dichters samt einigen Bild- und Textbeispielen gezeigt, unter anderem auch Orginalskripte, z.B. der "Schachnovelle". Durch die Uebersichtlichkeit gewinnt die farbige Zweig-Ausstellung auch für kulturell weniger Interessierte eine gewisse Nähe. Im oberen Stock sind dann die verschiedensten Orginalhandschriften gezeigt. Während es sich bei den Objekten meistens um Briefkontakte Zweigs mit seinen oben genannten Freunden handelt, werden im einen Raum auch die vom Sammler Bodmer von Zweig vor dessen Flucht abgekauften Autographien (also Handschriften) gezeigt, nicht uninteressant für Leute, die sich für die (vor allem jüdisch-bürgerliche) Intelligenz des 19. und beginnenden 20 Jahrhunderts erwärmen können.

Biwidus wollte mit diesem kurzen Artikel zeigen, dass es sich für uns durchaus auch ziemt, kulturelle Aspekte aufzugreifen und zu bearbeiten, obschon wir uns eher als jugendnahes Medium anschauen. So langweilig dieser Anlass beispielsweise auch war, so lehrreich war er auch, denn Zweig war nicht nur ein (meines Erachtens) begnadeter Dichter, sondern wegen seines erklärten Europäertums auch ein vorausschauender Denker und philosophischer Staatsmann. Wer sich vor einem Platzregen in den Strauhof in Sicherheit bringen kann, dem/der sei diese Ausstellung aufs Herz gelegt. Sie erlaubt eine Auseinandersetzung sowohl mit unserer europäischen (und schweizerischen) Vergangenheit, als auch mit der Gegenwart und der Zukunft. Gerade wir Jugendliche dürfen uns nicht nur der Kultur, der "elitären" (sprich bürgerlichen) Kultur nicht entziehen, denn sie muss nicht immer bourgeoise Kultur sein (kann...).

Das Museum Strauhof an der Augustinergasse zeigt diese Ausstellung bis am 19. Mai jeweils von 10.00 bis 18.00 Uhr (DO bis 21.00), Montag geschlossen.



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus dem Museum Strauhof in Zürich.