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Musicals
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Phantom der Oper
A Chorus Line
Manche mögens heiss
Holiday on Ice
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Doktor Frank`n Furter kommt nach Zürich
Erinnert Ihr Euch an Tim Curry als Doktor Frank`n Furter, der sich als
Ober-Tunte einen Frankenstein-Transvestiten zum Gespielen erbaut? Und dass
ihm das zum Verderben wird? Das dem Film zugrunde liegende Musical Rocky Horror Show ist
schon über zwanzig Jahre alt, hat aber seither kaum an Frische und Witz
verloren. Die Westend-Version wurde, nach unzähligen Kino- und TV-Reprisen,
endlich auch `mal in Zürich aufgeführt. Die Truppe befindet sich auf einer
ausgedehnten Europatour und hat (leider nur) drei Tage halt im Volkshaus
gemacht. Das Resultat: eine der wohl aufgedrehtesten und auffäligsten
Musicals der letzten Jahre. Die Regie führte Christopher Malcolm, die
Choreographie stammte von Stacey Haynes.
Die Handlung ist ja eigentlich schnell erzählt. Brad und Janet, ein junges
Liebespaar, verirren sich auf ein Schloss, wo ausserirdische
Transvestiten vom Planeten Transsylvanien ihr Unwesen treiben. Der Obertransi,
Frank`n Furter, erschafft sich nach dem Vorbild des Genfer Doktors
Frankenstein einen Kunstmenschen. Allerdings ist dieser Adonis von
Mann vielmehr zur Lust des Erschaffers konzipiert. Doch die Sache geht
wortwörtlich in die Hose, denn vom ausschweifenden Leben, das der
Meister führt, lässt sich auch das "Monster" anstecken und wird
zu des Erschaffers Leidwesen heterosexuell. Janet darf davon profitieren.
Schliesslich werden der Doktor und sein Monster vom buckligen Diener Riff Raff
umgebracht, und Janet und Brad gehen glücklich nach Hause. Und wenn sie nicht
gestorben sind, dann tun sie es noch heute (miteinander).
Die Geschichte der Rocky Horror Show ist so schräg, wie das Stück
selbst es ist. Der Geburtstag des Transvestiten-Musicals wird auf den 16. Juni
1973 datiert, Geburtsort war London, das Royal Court Theatre. Nach mehreren
Pannen wurde das Stück an vielen verschiedenen Orten in London aufgeführt und wurde
mit der Zeit ein Grosserfolg. 1975 kam der Film in die Kinos, gleichzeitig
mit der Broadway-Produktion. Beide erwiesen sich als Flops, die Amis konnten mit
der schlüpfrigen Materie, die zugegebenermassen auf eine gewisse Art typisch britisch
ist, nichts anfangen. In Europa jedoch wurde das Musical zu einem Hit, später
zu einem wahrhaftigen Kult. Rocky und Frank`n Furter wuchsen an zu einem
Symbol für sexuelle und soziale Freiheit, aber auch für einen lockereren, ja
selbstironischen Umgang mit der Sexualität selbst.
Im Zürcher Volkshaus herrschte am "Premierentag" Volksfeststimmung. Zum Glück
war der Saal nur etwa halbvoll, sonst wäre die Hütte wahrscheinlich zusammengekracht
wie die Mauern von Jericho. Im Vergleich zu vielen anderen Musicals (nehmen
wir das "Phantom" als Beispiel) waren nicht nur fast ausschliesslich junge
Leute anwesend, sondern auch viele, die sich offensichtlich als Fans
outeten. Wo immer mensch auch hinblickte, unbeschreiblich hoch war die Zahl
jener, die es genossen, mit ihren teils phantasievollen, teils abscheuerregenden
Kostümen im Rampenlicht zu stehen. Dies, obschon es nicht sie selbst waren, die
auftreten sollten. Wir konnten Frauen mit Leichenbemalung sehen, Männer in
Strapsen und in den Mieder gestopftem Vorbau und Undefinierbare mit den
Insignien eines möglichen dritten Geschlechts. Ganz offensichtlich gehörte das
dazu, die Show vor der Show, um die Show. Es war echt schräg.
Die Aufführung war ein wahres Erlebnis. Zwar war das Volkshaus (wegen
Ostern?) nur halbvoll, aber das tat der Unterhaltung keinen Abbuch, ganz im
Gegenteil. Von Anfang an wurde das Publikum miteinbezogen. Die vielen Girls,
Boys und die anderen Anwesenden johlten, warfen Toilettenpapierrollen,
schmissen mit Reis um sich, verspritzten Wasser aus eigens dafür mitgebrachten
Pistolen, buhten, pfiffen und sprachen/sangen mit, wenn der programmgemässe
Augenblick dazu gekommen war. Es war eine Riesenstimmung. Der Boden erzitterte
unter dem tosenden Beifall, viele Anwesende wurden feucht, und einige andere
tanzten, was das Zeug hielt. Ganz klar ist es die Stimmung, die den Erfolg
dieses Musicals ausmacht. Ich hatte das Gefühl, in einem Volksfest oder
einem Open-Air-Konzert zu stecken.
Sonst? Ein souverän gespieltes Stück, trotz der eher frivolen Handlung sehr
überzeugend agierende SchauspielerInnen und vor allem eine bombastische
Musik (ein Berner meinte:"das hät gfägt") rundeten den phantastischen
Abend ab. Rock`n Roll und fast punkige Töne, gemischt mit einem oft
sehr witzigen Text sprachen fast alle an, auch die, die sonst selten solche
Musik hören (wie ich). Die positive Stimmung half auch darüber hinweg, dass
die Location, das Volkshaus, für solche grossen Anlässe nicht
gerade geeignet ist. Die "Rocky Horror Show" ist ein guter Ausgehtip für
alle, wenn sie mal wieder vorbeitourt.
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