Ear: Punk der in die Ohren geht
Ear, die Punk-Hoffnung aus Winterthur hatten die unbeschreibliche Ehre, als Support-Act
von Bad Religion in der Roten Fabrik auftreten zu dürfen. Neben dieser Ehre ist ein
Auftritt als Support-Act gleichzeitig auch eine Herausforderung, weil der grösste
Teil des Publikums ja nicht wegen der Vorgruppe kommt und diese dementsprechend wenig
kennt. Man konnte also auf etwas gespannt sein.
Mit zehnminütiger Verspätung legten Ear dann auch gleich los. Das Publikum, vorwiegend
Snöbis und Skaties zwischen 15 und 18 Jahren, spendeten dann auch verhaltenen Applaus
respektive wippten ein bisschen mit wenn die Musik am fetzigsten geworden ist. Das
änderte sich aber schlagartig, nachdem Ear als etwa den vierten Song ihre Coverversion
vom Madonna-Klassiker Material Girl zum besten gaben. Ein ungläubiges Staunen machte
sich auf den Gesichtern der Snöbis und Skaties breit, welche den Song zwar kannten,
ihn aber nicht in ihre Punk-Welt einreihen konnten. Der Applaus war dann auch
dementsprechend massiv.
Die Stellung von Ear als Vorgruppe kombiniert mit ihrem differenzierten und komplexen
Stil war eine schwere Hypothek für ihr Konzert. Weil Ear keinen Gun-ho Punk a la
Bad Religion machen und die Songs nur den wenigsten ZuhörerInnen bekannt war, ging
das Publikum nicht so Pogo-mässig mit und spendete gut gemeinten Applaus. Aber was
kann man mehr erwarten, wenn man als ZuschauerIn seine Kräfte einteilen will und
bei Bad Religion wüst herumtoben will.
Von Vorteil war, dass Ear nicht einfach ihr neues Album heruntergespult haben, welches
am gleichen Tag erschienen ist (zum Album später noch mehr). Problematisch war hingegen,
dass die Drums zu dominant abgemischt worden sind, die Stimme hingegen an Geltung
verloren hat. Was sich nachteilig auf die Bühnenpräsenz ausgewirkt hat, war sicherlich
die Kombination der Instrumente mit dem Gesang. Der Bassist Rainer Egloff, welcher
auch hauptsächlich den Gesang gemacht hat, war förmlich an sein Mikrostativ gebunden.
Durch diese mangelnde Bewegung verlor die Bühnenpräsenz automatisch an zusätzlicher
Power.
Nun aber noch kurz ein paar Worte zu Ears neuem Album Speaker. Bei Speaker handelt
es sich bereits um das dritte Album der Winterthurer Punk-Band. Neben der Geschwindigkeit,
welche man sich ja beim Punk gewöhnt ist, besticht das Album vor allem durch die
ziemlich grungigen Drums.
Die grungigen Drums deuten auch die Klasse dieses Albums an. Bei Speaker handelt es
sich nicht einfach um ein Punk-Album, welches hauptsächlich auf drei Gitarren-Akkorden
beruhrt (man rufe sich da die Ramones in Erinnerung), sondern um Punk, welcher
aus Elementen von anderen Stilrichtungen, vornehmlich aus dem Grunge und dem Heavy
Metal schöpft. Wie schon beim Konzert, so sorgt der Cover von Madonnas Material Girl
für eine erhebliche Überraschung auf Speaker, handelt es sich dabei doch um einen
Song, welchen man am wenigsten auf einem Punk-Album erwarten würde.
Zusammenfassend gesagt handelt es sich bei Speaker um ein gutes und für den Punk
ziemlich differenziertes Album, bei welchem man sich der Gefahren einer Live-Umsetzung
bewusst sein muss, speziell, wenn man als Vorgruppe auftritt. Wen aber der Auftritt
von Ear in der Fabrik nicht überzeugen konnte, dem sei nur empfohlen, sich einmal die
Speaker hereinzuziehen und dann seine Meinung zu revidieren.
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