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Ein Phantom verunsichert Zürich
Ich kann mich noch erinnern, als ob es gestern war. Vor Urzeiten, als ich
noch an der Kantonsschule den Pflichtstoff in meine sensiblen
Gehirnwindungen hineinstopfte, reisten wir anlässlich unseres Maturaausflugs
ins ferne Wien. Als Höhepunkt stand der Besuch des damals Aufsehen erregenden
neuen Musicals "Phantom of the Opera" des Meisterkomponisten
Andrew Lloyd Webber im Burgtheater am Ring auf dem
Programm. Geschniegelt wie die Lackaffen marschierten wir hinein und
völlig angetan wieder heraus. Leider habe ich, wie so vieles während meiner
Kantizeit, auch dieses Kapitel wieder vergessen.
Macht nichts. Das Phantom ist nach Zürich gekommen, sei es auch nur für
drei Tage. Ich erinnere mich auch noch an das Geschrei, das daraus entstanden
ist, dass der selige Kulturmäzen Eynar Grabowsky das Phantom nach Zürich
bringen wollte. Unsere Stadträtin Koch brachte es jedoch fertig, das
empfindliche Phantom so zu verekeln, dass er nach Basel zog, wo dieses
Musical seit Jahren noch immer erfolgreich aufgeführt wird. Eben diese
Frau Koch war aber leider nicht zu sehen, als letzte Woche für nur drei Tage
das erwähnte Phantom im Kongresshaus zu Zürich Rast machte. Dafür durfte
Biwidus an die Premiere. Und leider war diese Version nicht die
"echte" von Webber, sondern die jüngere Broadway-Fassung von Kopit/Yeston.
Einmal mehr wurde Zürich also von einem Broadway-Team besucht. Und dies,
interessanterweise, ohne jedwelche Medienbeachtung!
Die Vorlage zum Musical stammt vom französischen Autor Gaston Leroux,
der sich mit seinem gothic anmutenden Roman "Le Fantome de l'Opera" anfangs
unseres Jahrhunderts ein literarisches Monument gesetzt hatte.
1983 schrieb der Drehbuchautor Arthur Kopit zusammen mit dem Komponisten
Maury Yeston die Musicalversion des Phantoms. Während einer Pause seines
Kollegen Yeston versuchte Kopit, sich mit dem jungen Komponisten
Andrew Lloyd Webber zu arrangieren, der auch an einer Arbeit zum Thema
Phantom der Oper war. Die im Kongresshaus aufgeführte Version ist jene
von Kopit und Yeston. Ihre Fassung hatte 1991, Jahre nach Webbers Welterfolg,
in New York Weltpremiere.
Nach verschiedenen Bühnenversionen und Filmadaptionen (zuletzt 1987 mit
Burt Lancester in der Hauptrolle) ist die Fassung von Kopit/Yeston eine
typische Broadway-Version. Die Handlung ist nicht im Vordergrund, dafür die
Musik und die Lieder. Im Gegensatz zu Webber, dies als letzte Nebenbemerkung
zum weitaus bekannteren (und in meinen Augen auch spannenderen)
Konkurrenzprodukt, ist also die aufgeführte Fassung weniger episch
ausgelegt. Webbers Fassung kann ja ohne weiteres als veritable Rock-Oper
nach dem Vorbild eines "Tommy" verstanden werden, während Kopit/Yeston
ein "echtes" Broadway-Musical geschaffen haben.
Echte Premierenstimmung kam im Kongresshaus leider nicht auf. Diese
Aufführung des weltbekannten Musicals war in Zürich eine Volksvorstellung.
Viele junge Leute, Girls und Boys, waren aufgetaucht, von Promis keine
Spur. Das hing sicherlich nicht zuletzt mit dem sehr stieren Aeusseren
des Kongresshauses zusammen. Mit meiner ausserordentlich attraktiven
und allerliebsten Begleiterin setzte ich mich also zwischen zwei
Yuppies aus dem Bünderland und eine (frau verzeihe mir diese Wertung)
Hausfrau.
Das Orchester, geführt von Adam Bardabusz, hielt sich löblicherweise
im Hintergrund. Das teure Bühnenbild war, ausser der immer wieder benützten
Drehbühne Opernfassade/Katakomben, ziemlich schlicht, was aber nichts an der
Wirkung des Stückes geändert hat. Die Singstellen, meist eine undefinierte
Mischung aus Sprechgesang und Opernarien, wechselten ab mit gesprochenen
Partien, die zu meiner Verwunderung von den amerikanischen SchauspielerInnen
in einem akzentuierten Schriftdeutsch wiedergegeben worden sind. Die Mühe,
die sie auf sich genommen haben, sollte eigentlich von mir gelobt werden.
Meines Erachtens hätten die englischen Orginaltexte aber wohl mehr
"gebracht". Der Ami-Akzent weckte bei mir nur Amusement. Einmal mehr
musste ich feststellen: Volksvorstellung. Und dabei kam ich mir vor wie ein
Snob.
Die Handlung ist schnell erzählt: Christine, ein Landei, kommt an die
Pariser Oper, um singen zu lernen. Dort, unter der Oper, in
den alten Katakomben, haust jedoch ein legendäres Ungeheuer, das Phantom
der Oper. Erik das Phantom ist im Gesicht aufs Greuchlichste entstellt.
Deshalb muss er eine Maske tragen und bestraft jeden, der sein Gesicht
sieht, mit dem Tode. Die einzige Ausnahme bildet der ehemalige
Direktor, der sich in der Folge als Eriks Vater entpuppt. Der junge Mann lernt Christine kennen und
möchte ihr Gesangsunterricht geben. Er verliebt sich in sie und will
sie in sein Reich entführen. Als sie sein Gesicht sieht, rennt sie weg und
er in sein Verderben. Um der Polizei nicht in die Hände zu fallen, bittet
er seinen Vater, ihn zu erschiessen und stirbt in den Armen seiner
Geliebten, ohne dass er sein Gesicht zeigen musste.
Die Produktion war alles in allem ziemlich durchschnittlich. Trotz des offensichtlich
grossen Aufwandes, den die Truppe auf ihrer Europatour betreibt (allein das
Bühnenbild kostete eine halbe Million Dollar), war die Aufführung
unspektakulär. Ich, der ich Webbers Meisterwerk gesehen habe, der das
Pathos und die epische Form dieser Figur und dieser Geschichte viel
überzeugender herausgehoben hat, war von dieser Fassung ziemlich
enttäuscht. Im Gegensatz zu meiner Begleiterin schien mir Webbers
Phantom mitreissender, auch das restliche Publikum war von diesem
Phantom nicht besonders überzeugt. Wo war der Donner des allseits
bekannten (webberschen) Titelstücks? Wo war das ergreifende Zittern
in der Stimme des gefallenen Liebespaars?
Trotzdem. Die drei Phantom-Aufführungen waren eine Reise wert, nicht nur
für Verliebte, sondern auch für "NormalbürgerInnen" (im Gegensatz zu
Webber...). Fakt ist, dass das Kongresshaus nicht ganz ausverkauft war.
Wer das "echte" Phantom sehen will, muss weiterhin nach Basel oder ins
Ausland. Aber wem es nichts ausmacht, wer eher wegen des Musicals
gekommen war, war im Kongresshaus gut aufgehoben. In diesem Sinne:
Licht aus, Maske ab!
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