zur Frontseite
24.1.1996

Meinungen

No more Caught in the Act

Spekulation um OASG 98

Leserbriefe zu Rammstein

Rammstein, Stein des Anstosses

Kritische Ansichten zur ZH-Musik

4 Tussis und ein paar Jungs

Der Wolf - Das Album

Was so das neue Musikjahr bringen wird

Top Ten der franz. Interpreten

Take That

Top Ten der Konzerte 1995

Neue _Schallschutzverordnung

Heavy Metal

Neue Schallschutzverordnung

Der Bundesrat hat in seiner Gesundheitswut eine neue Verordnung im Bereich Schallschutz erlassen. An Konzerten, Discos und Parties darf die maximale Schallgrenze von 93 dB (Dezibel) nicht überschritten werden. Zum Vergleich: die normale Lautstärke bei Gesprächen liegt bei etwa 60 dB. Nur in Ausnahmefällen, wenn die Veranstalter Ohrenstöpsel verteilen und die BesucherInnen darüber informieren, dass an der Lärm hörschädigend sein könnte, kann diese Grenze auf 100 dB hochgeschraubt werden. Früher lag diese Grenze bei etwa 105 dB.

Dabei haben wir Jugendliche dabei noch viel Glück gehabt, denn die ursprünglich vorgeschlagene Grenze wären max. 90 dB gewesen. Die Anhänger des Grenzwertes behaupten (wie im TA), dass Freizeitlärm wie Arbeitslärm zu behandeln sei. Für uns hiesse das, dass zuerst mal der Arbeitslärm, dem mensch täglich ausgesetzt ist, dem Verhältnis entsprechend gesenkt werden müsste. Es ginge jedoch wohlweislich nicht darum, die Jugend vor den Kopf stossen zu wollen. Als ob mensch gerade eben das nicht andauernd täte! Jugendliche sind ja a priori ein Problem für diese Gesellschaft. Und jetzt möchte sie ihnen noch vorschreiben, wie laut die Musik sein soll, die sie konsumieren.

Dieser Senkung beim Schall folgte anschliessend auch eine Beschränkung bei der Verwendung von Laser-Effektgeräten, die in den letzten Jahren der Renner geworden sind. Bei direktem Einfall in offene Augen können diese Laser erwiesenermassen Schäden hervorrufen. Boxengedröhn und Laserstrahlen, sind nicht mehr wegzudenkende Requisiten in der Partywelt von heute. Wie der neue Schallgrenzwert gilt auch diese Beschränkung ab 1. April.

Besonders betroffen von diesen Verordnungen sind einerseits die Veranstalter von Konzerten, Raves und Discos, andererseits natürlich auch die jungen KonsumentInnen. Wer kann sich heute noch Raves oder Rockkonzerte vorstellen, ohne ein bisschen Donner und Doria aus allen Rohren? Biwidus hat ein kurzes Interview mit einem Betroffenen geführt, Michael Schuler vom Party-Multi Karmasutra. Er beantwortete uns Fragen nach Sinn und Unsinn dieser neuen Schallschutzverordnung.

Biwidus: Michael, was ändert sich für euch als Partyveranstalter nach diesem Nacht- und Nebelerlass des Bundesrats?

MS: Eigentlich nicht viel. Wir müssen einfach vermehrt schauen, dass wir den Grenzwert nicht zu oft überschreiten. Weisst du, gerade bei älteren und billigeren PAs (Boxen) kommen gerade die Mitteltöne zu stark rüber, sie beginnen zu scherbeln und überschreiten diesen Wert so sehr schnell. Wir sind bemüht, immer gute PAs einzusetzen, die dieses Problem weniger haben. Persönlich finde ich diese Beschneidung problematisch, sogar ein Schlagzeug ohne Verstärker kommt ziemlich bald auf 90 dB. Wir werden weiterhin Ohrenpfropfen verteilen.

Biwidus: Werdet ihr den neuen Grenzwert auch einhalten?

MS: Wir werden es probieren. Etwas schwierig ist ja auch, dass es oft die DJs selbst sind, die mit ihren Mischpulten die Lautstärke regeln. Da haben wir wenig Einfluss. Es kommt aber auch darauf an, wo die Boxen stehen und wie nahe man selbst daran steht. Wir denken, dass die Leute sensibel und vernünftig genug sein sollten, nicht zu nahe an den Boxen zu tanzen. Wir werden probieren, die Boxen sinnvoll hinzustellen oder aufzuhängen, damit es keine Probleme gibt.

Biwidus: Könnt ihr selbst mit diesen Einschränkungen leben?

MS: Ganz klar ist laute Musik ein Bedürfnis, das viele haben. Lautstärke hat offensichtlich einen Reiz. Insofern sind diese Einschränkungen ein Problem. Aber gewisse technische Aenderungen bringen hier schon sehr viel. Ich gebe zu, dass es beispielsweise bei Rockkonzerten, auch an Technoparties, zum Teil unzumutbar laut ist. Ich denke da an gewisse Gitarrenparts an Hardrockgigs. Man muss aber sehen, dass es auch im Alltag sehr laut sein kann, wenn ein Lastwagen an mir vorbeidröhnt zum Beispiel.

Biwidus: Wie steht es bei den RaverInnen, glaubst du, dass sie durch diese neue Verordnung abgeschreckt werden könnten?

MS: In Hardrockkonzerten z.B. ist die Lautstärke ein Ausdruck, ein Stilmittel der Musik. So auch im Techno, vor allem im Hardcore. Hier kommt die Musik einfach nicht mehr rüber, wenn sie leiser ist. Also wirkt sie auch nicht mehr. Das bemerken die RaverInnen sicher. Wenn ein Veranstalter sich strikt an diese Vorgaben hält, gibt das eine sehr peinliche Angelegenheit, die Leute werden dadurch abgeschreckt. Für Partygewohnte ist diese Musik ja keineswegs zu laut, sondern eher für Freizeit-RaverInnen. Die Leute, die oft an Raves gehen und die laute Musik bevorzugen, werden vermehrt in kleine Clubs abwandern, die sich nicht so sehr an die Vorgaben halten. Oder aber sie gehen an illegale Veranstaltungen, von denen es in nächster Zeit wohl wieder mehr geben wird, denn nur in den Illegalen kann man noch gute laute Musik hören. Der Staat hat sich quasi ein Eigentor geschossen.

Biwidus: Michael, wir danken dir für dieses kurze Gespräch. Viel Erfolg trotzdem für euren nächsten Rave.

Vater Staat behauptet natürlich, dass es nicht darum gehe, die Musikkultur der Jugendlichen an den Rand drücken zu wollen. Aber gerade dies wird dadurch erreicht werden. Einmal mehr wird Jugendlichen vorgeschrieben, was gut ist für sie und was nicht. Und einmal mehr werden sie geradezu in die Illegalität hineingedrückt. Kleines Zückerchen am Rande: die Schweiz ist das erste Land überhaupt, das sich einen solchen Unsinn erlaubt.



Wildcat (EMail)