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17.1.1996

Musicals

Keep Cool

Phantomgeburtstag

Anatevka

Rocky Horror Show

Evita

Phantom der Oper

A Chorus Line

Manche mögens heiss

Holiday on Ice

Manche mögen's heiss

Wer kennt sie nicht, die Mutter aller Travestiekomödien, einer der lustigsten Filme der Kinogeschichte überhaupt, "Some like it hot" von Regisseur Billy Wilder. Dieser köstliche Schwarz-weiss-Film vereingte die Komiker Tony Curtis und Jack Lemmon, sowie die damalige Sexbombe Marilyn Monroe in einem von Wilder phantastisch inszenierten Streifen. 1972 wurde der Film dann von Peter Stone auf die Bühne adaptiert und trat unter dem Namen "Sugar" seinen Siegeszug auf dem Broadway an.

Die deutsche Fassung dieses Musicals hatte letzten Mittwoch im Bernhard-Theater Premiere, gespielt vom Europa-Musical-Theater unter der Leitung von Frank Lindauer und Jean Hoffmann, die Choreographie stammte von Hansjörg Hellinger, die aufwendigen Kostüme von Helena Helbling in Zusammenarbeit mit der Frauenfachschule Zürich. Die Premiere war, wie zu erwarten war, gut besucht, immerhin ist das Orginal fast allen bekannt. Die Premierestimmung hielt sich allerdings in Grenzen, vielleicht lag das auch an der gespannten Lage des Theaters.

Am Tag der Premiere war bekannt geworden, dass ein Konsortium aus freiwilligen Kulturinteressierten das nach dem Tod des früheren Besitzers Eynar Grabowsky ins Schlingern geratene Schiff des Bernhard-Theaters übernehmen soll. Dies bedeutet zwar nicht die Rettung, aber doch einen rettenden Anker, der dem renommierten Theater doch wenigstens vorläufig eine Zukunft geben soll.

All dies war vergessen, als der Vorhang aufging und die Mädchenband von Sweet Sue in einer Spelunke des bleigeschwängerten Chicagos der Dreissigerjahre auftrat. Der Star dieser Truppe war ganz klar die blonde, kesse, ukulelespielende und aus lauter Selbstzweifeln trunksüchtige Sugar Kane (Christiane Brammer). Zwei Musiker, Joe, das Saxophon (Andreas Zaron) und Jerry, die Bassgeige (Dominik Flaschka), wurden zu Zeugen eines Mordes und müssen vor den Mördern fliehen. Ihr einziger Ausweg war es, in Mädchenkleider zu schlüpfen und mit Sweet Sues Band nach Florida zu reisen. Den Rest der Geschichte sollte mensch kennen, auch im Musical sind die aus einer solchen Situation herrührenden Verwechslungs- und Verwandlungseinlagen beibehalten worden. Ueberhaupt hält sich die Musicalfassung ziemlich stark ans Orginal. Sicher, beim Dekor musste ein Kompromiss eingegangen werden, und ich denke, dass das einfache Bühnenbild mit den ständig wechselnden Spiegeln eine gute Lösung war.

Das Stück war definitiv sehr lang. Das lag sicher nicht zuletzt an den vielen Songs, die zum Teil unnötig und langweilig, zum Teil auch geklaut ("Puttin' on the Ritz") und schlecht übersetzt waren, weniger wäre mehr gewesen. Dies gilt auch deshalb, weil die SchauspielerInnen nicht gerade begnadet gesungen haben, und dass die deutschen Uebersetzungen eines englischen Orginals nie gut werden, das gilt auch für Musicalsongs. Die Band war dafür unauffällig, was sicher angenehm war.

"Mädchen müsstet ihr sein", meint Sweet Sue zu Joe und legt den Grundstein für Josephine und Daphne, die wohl unweiblichsten Weiber der Filmgeschichte, das gilt auch für die Bühne. In der Folge bestehen die zwei Möchtegerngirls die unglaublichsten Abenteuer und Situationen, eine geniale Ausgangslage für viel Slapstick und Travestie. Nur hatten alle drei HauptdarstellerInnen mit einem, mit dem selben Problem zu kämpfen: der Vorlage, dem Orginal. Joe/Josephine ist Tony Curtis, charmant, gut aussehend als Mann wie als Frau, aber auch sehr lustig, weil er sich im Gegensatz zu seinem Partner nie mit der Rolle anfreunden kann. Sein Partner, Jerry/ Daphne ist im Orginal ein Jack Lemmon in Hochform, der für seine Zeit bedrohlich nahe an der Grenze zur Homosexualität gespielt hatte. Der Jerry von der Bühne ist ein Recke, sicher einen Kopf grösser als ein Verehrer Osgood Fielding oder sein Kumpel Joe. Mag sein, dass ein solches Urvieh von Mädchen zusätzlich Gelächter erzeugt, was beim Orginal nicht war, aber im Gegensatz zur Bühne lebt der Film ja davon, dass die beiden zwar hässlich, aber aus der Ferne doch Frauen sind. Und wer am meisten Probleme mit dem Orginal gehabt haben muss, war wohl die Darstellerin von Sugar Kane, die im Orginal von einer herzerweichend frischen und naiven Monroe gespielt worden war. Wie bei Lemmon und Curtis war diese Rolle des blonden und hübschen Dummerchens ihr auf den Leib geschrieben. Ihr Bühnenpendant war bei weitem nicht so charmant und schon gar nicht so erotisch. Aber gerade bei ihr war die Latte auch sehr hoch gesetzt. Es war schlicht unmöglich, an die Leistung der Monroe heranzukommen, ohne Christiane Brammers Fähigkeiten schmälern zu wollen. Sie hat ihre Aufgabe meines Erachtens recht gut erfüllt, wobei sie mit dem Singen etwas Probleme hatte, eine erotisch-rauhe Stimme hätte besser zu dieser Rolle gepasst als dieser perfekte Opern-Sopran. Ausserordentlich süss waren wiederum die Girls der Truppe.

Das Stück ist sicher sehenswert und amüsant, allein schon wegen der Atmosphäre des Bernhard-Theaters. Die Umsetzung der komplizierten Vorlage kann als gelungen betrachtet werden. Einige Gags sind ganz witzig, wie die Shell- Verarschung, die ja heute aktueller denn je ist.Ich würde trotzdem vorschlagen, den Film, dieses Feuerwerk an Gags, doch auf Video zu geniessen, das Orginal also. Der Schluss mit der Auflösung und der Enttarnung ging z.B. viel zu schnell. Und ich schliesse ab mit einem Satz von Jerry, der illustrieren soll, wieviel die beiden "Girls" sowohl im Film, als auch auf der Bühne taugen:"Jetzt ist's passiert, meine Brust ist raus!".



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus dem Bernhard-Theater.