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8.1.1996

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Die SP tritt an

Lange galt es nicht als sicher, dass die SP an den Ersatzwahlen in den Zürcher Regierungsrat am 28. Januar teilnehmen würde. Wie wir uns sicher erinnern werden, trat im letzten November die SP-Kantons- und Nationalrätin Vreni Müller-Hemmi gegen den SVP-Kandidaten Rolf Gerber an und verlor mit nur etwa 3000 Stimmen Unterschied. Somit schien die grösste Partei des Kantons aus der Regierung hinausgeworfen zu werden, aber auch der Bürokrat Gerber schaffte das notwendige absolute Mehr nicht. Die Rechnung der SVP und ihres Juniorpartners FDP war nicht aufgegangen, die SP war nicht aus der Regierung hinausgeekelt worden, vorläufig nicht. Die mit allen Mitteln der Kunst schlammgeschlachtete SP-Kandidatin zog sich zerknirscht aus dem erneuten Wahlkampf zurück und entzog sich einer neuerlichen Diskriminierungskampagne der vereinigten bürgerlichen Parteien. Diese waren plötzlich im Offside, denn jetzt kam der Dietiker Stadtpräsident Markus Notter in die Diskussion, ein den Bürgerlichen angeblich genehmer Kandidat. Die SVP/FDP-Koalition posaunte heraus, dass sie sich im Falle einer Kandidatur Notter mit einer SP-Regierungsbeteiligung weiterhin abfinden könne. Gegen Ende Jahr sah es so aus, als ob das Spiel klar wäre, dass die alte Zauberformel "fünf Konservative/zwei Progressive" Bestand haben würde.

In der Folge wurden aber innerhalb der Sozialdemokratie die Stimmen lauter, die genug hatten von diesem abgekarteten Spiel und sich nicht mehr vorschreiben lassen wollten, wer denn nun der/die Alibisoziale in dieser zutiefst konservativen Regierung zu sein hatte. Immer mehr, die ursprüngli ch aus Trotz für eine Kandidatur Müller-Hemmi gestimmt hatten, wollten den Kopf aus der sich zuziehenden Schlinge ziehen. Sie konnten es nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren, dass eine SP-Magistratsperson die asozialen Entscheidungen des von den radikalen Regierungsräten Honegger FDP und Buschor CVP dominierten Gremiums hätte mittragen und somit den problematischen Kurs der nächsten Legislaturperiode legitmieren sollen. Prompt reichten in ihrem Namen die JUSO (JungsozialistInnen) einen Antrag ein, am Parteitag vom 8. Januar eine Nichtkandidatur und somit den Regierungsaustritt zu beschliessen. Das würde bedeuten: radikale Opposition gegen eine radikale Sozialabbaupolitik. Die Partei hätte sich nicht mehr mit unpopulären und gegen ihre Grundsätze verstossenden Entscheidungen zu diskreditieren brauchen. Sie hätte 1998 mit unverbrauchten und sauberen Leuten gegen eine (fast) rein bürgerliche Regierungskoalition antret en können und die Wahlen voraussichtlich für sich entscheiden.

Die bürgerlichen Parteien widerum fürchteten sich gerade vor diesem Szenario und wollten natürlich auch eine SP-Vertretung im sinkenden Boot haben, damit diese nicht vom Popularitätsverlust der Bürgerlichen profitiere. Die SVP liess sich zwar die Option frei, Gerber wieder aufzustellen, ob Notter oder nicht, aber ehrlich gemeint war das nicht, auch Gerber selbst gab bekannt, dass er eigentlich keine Lust hätte, sich zum Wohle der Koalition einfach verheizen zu lassen. Die Bürgerlichen waren also daran interssiert, dass die SP an ihrem Parteitag einen "guten" Kandidaten aufstellt und somit das bürgerliche Spiel mitmacht.

Das war die Ausgangslage vor dem 8. Januar, als der von allen nervös beobachtete Parteitag im Hotel Limmat stattfand. über 200 Delegierte marschierten auf, eine stolze Beteiligung auch für die SP. Der Partei gingen sogar die St immzettel aus. Die Diskussion über den Antrag der JUSO war verhältnismässig kurz. RednerInnen beider Seiten kämpften mit den selben Argumenten, einfach mit anderen Interpretationen und Konsequenzen. Trotzdem war das Ergebnis sehr deutlich für die Beteiligung, die Partei wollte es noch einmal wissen.

Die Wahl des Kandidaten war eigentlich schon von Anfang an klar gewesen, der Dietiker Stadtpräsident Markus Notter (1960) war der Kronfavorit, der Gewerkschafter Hans Jakob Mosimann (1956) aus Winterthur Aussenseiter. Kurzfristig wurde auch der populäre Nationalrat Elmar Ledergerber gegen seinen Willen von der Schwammendinger Kreispartei nominiert. Er lehnte ab, nach vielen Voten für jeden der beiden Kandidaten schritt man zur Abstimmung. Markus Notter schwang mit 145 Stimmen obenauf, auf den Winterthurer entfielen 65 Stimmen. Er war der erste, der den frischgebackenen Kandidaten beglückwünschte. Die Partei war offenbar sto lz auf ihren Mann, mit stehendem Applaus beendete sie ihren Wahlparteitag.

Jetzt gilt es, den sehr kurzen Wahlkampf problemlos über die Bühne zu bringen, es fehlt zwar das Geld dafür, aber nichtsdestotrotz ist die Partei sehr zuversichtlich. Fast gleichzeitig mit der Wahl des SP-Kandidaten zog sich der ehemalige bürgerliche Kandidat Markus Gerber (SVP) wie versprochen aus dem bevorstehenden Wahlkampf zurück, es wird den Bürgerlichen nichts anderes übrig bleiben, als sich mit "ihrem" SP-Mann in der Regierung zu arrangieren, keine einfache Sache, denn Notter ist nicht gerade als Kompromissler bekannt. Auch ist die Ersatzwahl in den Regierungsrat um den freigewordenen Sitz von Moritz Leuenberger gelaufen, denn es ist nicht zu erwarten, dass die Bürgerlichen noch einmal mit einer Kampfkandidatur kommen, sie würden ihre Glaubwürdigkeit dabei verlieren. Somit stünde Notter auch als einziger Kandidat fest, er ist somit so sicher wie gewählt. Die Wahl vom 28.2. ist zu einer reinen Akklamation geworden, dem Zürcher Stimmvolk wird die Wahl einfach fallen.

Nicht so einfach wird es der frischgebackene Regierungsrat in einem Gremium sein, die mit ihrer Politik je länger je mehr derjenigen seiner Partei widerspricht. Er wird wohl, wie ein Vertreter der JUSO gemeint hat, nicht nur die Stimme der SP in dieser Regierung, sondern auch der sprichwörtliche Rufer in der Wüste werden. Er aber gibt sich optimistisch, er werde tun, was in seiner Macht stünde, äusserte er gegenüber Biwidus. Und seine Partei, die eigentliche Oppositionspartei in der Legislative, wird ihm sehr aufmerksam auf die Finger schauen müssen, um in den Gesamterneuerungswahlen 1998 kein Waterloo zu erleben. Wir bleiben dran.



Für Biwidus: Wildcat (EMail) aus dem Limmathaus zu Zürich.