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Satire
Giftzwerge 1998
Mehr Katholiken
Giftzwerge 97
Fusion: Geld/Gott will es!
Fliegende Kühe etc.
AG <-> FC
Die Seepromenade
Journalismus als (Alp)Traumjob
Den Girls in den Sack geschaut
Giftzwerg 96
Zürich unabhängig
Zürich unabhängig
Dienstagskanzlei
Heisse Tage in Zürich
Freundlich :)
Kreuze und Nullen?
Faire Landwirtschaft
Giftzwergverleihung 95
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Der Goldene Giftzwerg 1995
Es ist Fasnachtszeit. Heute morgen Schlag 11.11 Uhr haben die Guggen und
Narren/Närrinnen von Zürich die närrische Zeit eingeläutet, resp. eingeblasen.
Ihr Getute war Anlass für Biwidus zu einer zeitgeschichtlich-fasnächtlichen
Auseinandersetzung mit dem verbleichenden Jahr 1995. Unter Pauken und Trompeten
erkor Biwidus die 10 übelsten Narren und Närrinnen des Jahres. Ihnen wird die
Redaktion in den nächsten Tagen offiziell den Goldenen Giftzwerg für den übelsten
Narren, resp. die übelste Närrin, resp. die närrischste Tat weit und breit, resp.
jen- und diesseits des Andromeda-Nebels übergeben.
Biwidus stellt seiner geehrten LeserInnenschaft in dieser Ausgabe exklusiv die
zehn PreisträgerInnen vor und zwar (um die Spannung aufrecht zu erhalten) in
umgekehrter Reihenfolge und samt einer Kurzfassung der Laudatios, die vom
bekannten irischen Dichter Phil O'Soff gehalten worden sind.
10. Die staatliche Zensurbehörde
Hier soll nur auf die Kulturskandale um das Splatter-Video Blutgeil und die
Erotik-Ausstellung im Helmhaus verwiesen werden. Zugegeben: das Video troff nur
so von Ketchup und einer alles in den Schatten stellenden (und von der
Autorenschaft nie bestrittenen) Geschmacklosigkeit, aber was sich die
Bezirksanwaltschaft diesbezüglich geboten hat, übertraf das Video an
Geschmacklosigkeit um ein Vielfaches. In zwei Prozessen wurden die Autoren
angeklagt und mussten blechen. Die Hauptangeklagten, beide halbe Irre aus dem
Umfeld der sogenannten HausbesetzerInnenszene und der seligen Wohlgroth, blieben
dabei moralische Sieger, denn der Staat wollte an ihnen ein Exempel statuieren,
das durchaus einen starken politischen Aspekt hatte. Das darf nicht sein in
unserem Land, mensch kann sich weitaus brutalere Filme in Videotheken und Kinos
ansehen gehen. Wir haben das Video auch geschaut und waren mehr amüsiert als
schockiert ob so viel primitiven "Filmtricks" (z.B. Blutschläuchen, die aus
angeblichen Wunden heraushingen). Eine miese Show des Staates. Dasselbe
wiederholte sich gegen Ende Jahr, als im ehrwürdigen Helmhaus der scheidende
Kurator eine Ausstellung über (lesbisch geprägte) Pornokunst eröffnen wollte.
Eine unverständliche Ukas des Stadtpräsidenten Sepp E. verhinderte die Eröffnung
kurzfristig. Die Bilder waren tatsächlich recht gewagt und zum Teil hart an der
Grenze zur Geschmacklosigkeit, aber wie schon bei Blutgeil muss gesagt werden,
dass einE jedeR solche Bilder an jeder Ecke erstehen kann. Bad form für den
Staat. Es ist eine Schande, dass in einem Staat wie unserem mit Kunst und Kultur
so umgegangen wird. Sicherlich ist das Gesetz zu schützen. Wer jedoch ein solches
Gesetz schreibt, muss sich über seine Tragweite bewusst sein und die Grenzen
klarer (und entsprechend enger) ziehen. Kunst und Kultur ist a priori kaum
definierbar, dessen muss sich der Staat im Klaren sein. Was nicht unzweifelhaft
"schlecht" ist. muss geduldet werden, sonst zensuriert der Staat fast
willkürlich. Deshalb geht der 10. Platz des Wettbewerbes um den Goldenen
Giftzwerg an die staatliche Zensurbehörde.
9. Cornelia Grolimund
Sie wurde zur grössten Närrin (weiblicher Natur) des letzten Jahres gewählt. Als
Model mag sie schön (???) und recht gewesen sein, und dass sie Mode kreiert, ist
sicher nicht ihr Fehler, sondern derjenige derer, die das Zeugs kaufen. Dass sie
aber zu singen begonnen hat, war wohl ihr schlimmster Fehltritt und eine
katastrophale Episode der Schweizer Kultur im letzten Jahr. Die Vorstellung ihres
ersten Verbrechens (Das Puppenhaus) war definitiv ein Fiasko, denn die Kleine
kann weder anständig singen, noch das Gesungene darstellen (Gitarre mit zwei
Saiten und One-Song-Gigs). Sie wurde am ETH-Fest ausgebuht und -gepfiffen, Ehre,
wem Ehre gebührt. Es wird gemunkelt, dass nach dem zweiten Streich aus dem Hause
Grolimund nun auch noch ein Album releast werden soll, wahrscheinlich erst 1996.
Wenn, dann ist sie sicher auch in der nächstjährigen Ausmarchung des Goldenen
Giftzwergs eine der aussichtsreichsten Kandidatinnen.
8. Der Plakatbekritzler
JedeR, der/die im Hauptbahnhof die vielen mehr oder weniger hässlichen
Werbeplakate der verschiedensten Firmen und Produkte anschaut, kennt den alten
Vollidioten, der diese immer wieder mit faschistischen und religiösen Texten
(noch mehr) verschandelt. So sehr es auch egal ist, wer was mit diesen Plakaten
macht, dieser Depp verdient einen Golden Giftzwerg. Es ist der faschistische
(z.T. gar antisemitische) Inhalt dieser Texte, die sie zum Verbrechen gegen die
Gesellschaft werden lassen. Und der Typ selber braucht einmal eine tüchtige
(physische und psychische) Abreibung, denn so geht es nun wirklich nicht. Denn
wenn er nicht endlich in die PUK ("Burghölzli") eingeliefert wird, wird er
wahrscheinlich auch nächstes Jahr an prominenter Stelle in diesem Wettbewerb
auftauchen.
7. Michael Jackson
Mensch kann geteilter Meinung über ihn als Künstler sein, über den Kinderfreund
und Möchtgern-Weissen Mike J., aber den Starkult um ihn kann man nicht
gutheissen, dafür verdient er ohne weiteres mindestens einen Goldenen Giftzwerg.
Seine kotzhässlichen Statuen waren ein typisches und gelungenes Beispiel für den
(national-)sozialistischen Realismus der letzten Jahrzehnte. Auf deutsch: das
Marketing war und ist besser wie die Musik. Nee, Männeken, sooo nicht! Wenn Du
singen willst, O.K. Aber nicht als Halbgott in weiss! Drum überreichen wir Dir
diesen Preis. Have fun with it!
6. VPM und Konsorten
Der Verein für psychologische Menschenkenntnis (kurz VPM genannt), besser bekannt
als der Verein für pathologische Menschenverarschung VPM, führte auch im Jahr
1995 verschiedene Prozesse gegen Leute, die ein unglaubliches Verbrechen begannen
haben: sie hatten nämlich recht. Abgesehen von diesen Verfahren beschäftigte sich
der Verein auch mit der vernunftfeindlichen Initiative Jugend gegen Drogen. Also,
sicherlich mögen Drogen nicht das Gelbe vom Ei sein und so weiter. Aber wir
lassen uns nicht von irgendwelchen Dahergelaufenen sagen, was wir zu tun haben
und was nicht. Deshalb: den Goldenen Giftzwerg für den VPM. Lasst die Finger
davon! Nicht von Drogen meine ich (so`n kleines Oefeli täte Euch mal gut),
sondern von Eurem autoritären Getue. Legalize it! Das ist die Botschaft der
Vernunft. Wir lassen uns doch nicht eine ganze Generation vor die Hunde gehen
(resp. kriminalisieren), nur weil Ihr keine Vernunft annehmen wollt.
5. Radovan Karadzic und sein Sündikat
Wieso der Führer der bosnischen Serben den Goldenen Giftzwerg erhalten hat, liegt
ja wohl auf der Hand. Der ausgebildete Psychiater sollte schleunigtst einen
Kollegen aufsuchen (meinetwegen auch eine Kollegin). Er hat es auch im Jahr 1995
fertig gebracht, die ganze Welt (und die Weltgemeinschaft) in Atem zu halten und
aufs Kreuz zu legen. Seine Ideen und sein Verhalten erinnern an einen anderen
Irren, der die Maxime der kapitalistischen Gesellschaft (vom Tellerwäscher zum
Milliardär zu werden) ad absurdum getrieben hat und vom untalentierten
Maler/Anstreicher zum grössten Versager aller Zeiten geworden ist. Die serbischen
KZs spotten jeder weiteren Bemerkung zum Thema Homo Sapiens Sapiens. Wenn er auch
1996 so weiter macht, wird er wohl einer der ersten Kandidaten sein, die einen
Goldenen Giftzwerg auf Lebzeiten erhalten.
4. Unbekannte Geistesgestörte
Jaja. Es ist langsam zur Normalität geworden, dass rechtsextreme Geistesgestörte
(ein Pleonasmus) ihre faschistischen Parolen brüllen und die Hand zum Hitlergruss
erheben (beides deutliche Verstösse gegen das vom Volk angenommene
Anti-Rassismus-Gesetz) und die Polizei hat nichts besseres zu tun, als sie tun
und walten zu lassen. So geschehen an der SVP-Demo am 23.9. Auch dürfen diese
offensichtlich Leute verprügeln, die ihnen nicht genehm sind, ohne dass die
Obrigkeit einschreiten kann (oder will). Offensichtlich braucht es doch eine
fortschrittliche Miliz, die uns vor diesem Wahnsinn schützen kann. Und diese
bornierten hirnrissigen Typen, die auf der Münsterbrücke ihre Sprüche geklopft
und ein dreifaches Sieg-heil! auf ihren Führer geschrien haben, verdienen ohne
weiteres den Goldenen Giftzwerg. Wenn das so weiter geht, sind sie auch bald mal
auf dem Podest dieses Wettbewerbs. So nicht, meine Herren. Ihr könnt Euch
austoben, wenn Ihr wollt, aber sucht Euch den Platz besser aus. Ich denke da an
die Mahnmale von Dachau, Oswiecim (Auschwitz) oder Yad Vashem. Dort kriegt Ihr
dann wahrscheinlich auch, was Ihr verdient. Unser Land gilt als das sauberste
Land der Welt. Aber dass es immer noch so Unrat gibt wie Euch, stimmt mich
bedenklich. Aber Ihr könnt ja nichts dafür. Wie steht es doch geschrieben? Selig
sind die Armen im Geiste. Und Eure Führer tragen das Ihrige dazu bei.
3. Der Blick
Das nationale Boulevardblatt führt etwa jeden Monat eine Hetzkampagne gegen für
die Redaktion unliebsame Persönlichkeiten und Bevölkerungskreise durch (z.B.
gegen Bundesrat Stich). Das mag schön und recht sein, denn immerhin gibt es
Hunderttausende von ZeitgenossInnen, die diesen Schund lesen, mögen und sogar
daran glauben. Was immer mensch über die Qualität der blickschen
Berichterstattung sagen kann, mit der Verunglimpfungskampagne gegen Exponentinnen
der SF DRS-Sendung Zehn vor Zehn haben die Blick-Leute und ihre Helfershelfer
(z.B. das schawinskische Lokal-Fernsehen TeleZüri) den Vogel abgeschossen. Die
Schlammschlacht um ein paar Versprecher der Moderatorin Stephanie Zimmermann
entbehrt jedes publizistischen Feingefühls und ist ein Tiefpunkt im Medienjahr
1995. Sicher, die junge TV-Frau hat sich zu viele Fehler erlaubt, auch für
Uneingeweihte wurde klar, dass sie sich in der Materie (Eishockey) nicht sehr gut
auskennt, aber daraus ein solches "Gschiss" zu machen, verdient einfach den
dritten Platz in der Rangliste des Goldenen Giftzwergs. Aus einer amüsanten
kleinen Story wurde ein nationales Desaster gemacht, das ist auch für ein solches
Medium wie den Blick inakzeptabel. Der Blick hat sich darauf auf die Zehn vor
Zehn-Chefin Jana Caniga regelrecht eingeschossen und schliesslich sogar erreicht,
dass der TV-Boss Schellenberg das satirische Element (ohnehin nicht gerade weit
verbreitet) gänzlich aus dem nationalen TV verbannt hat. Ein Armutszeugnis für
ein Medium, das schon so zu seriös ist. Biwidus steht ein für Satire, gerade im
nationalen Fernsehen, das sich ja eigentlich nicht um irgendwelche
Interessensbindungen kümmern sollte. Der Blick hat einen Treffer gelandet, sich
aber damit erst recht diskreditiert. Bronze für den Blick.
2. Christoph Blocher
Der Pfarrerssohn und ausgebildete Bauer aus Meilen hat sich im Jahr 1995 zum
Schreckgespenst aller fortschrittlich Denkenden in der Schweiz gemausert. Die ihm
hörigen Organisationen und Personen (Aktion für eine neutrale und unabhängige
Schweiz und SVP) waren omnipräsent in den Medien und der öffentlichen Diskussion
(hat er jetzt eigentlich ein Abo auf Lebenszeit vom SF DRS erhalten ?). Durch ihn
sind die Isolationisten in diesem Land kurz davor, einen historischen Sieg zu
erzielen und die europäische Integration der Schweiz ganz zu verunmöglichen (die
"bilateralen Verhandlungen" stehen ja kurz vor dem Fiasko). Für Forschung und
Bildung wird es immer schwerer, sich im starken europäischen Umfeld zu behaupten,
und die Wirtschaft klagt über die verschiedensten Wehwehchen, die aus der
isolierten Lage der Schweiz herrühren. Dabei verkauft der Ems-Chemie-Chef
(angeblich) weiter munter Minen und anderes. Eines muss man ihm ja lassen:
rhetorisch ist er top, und seine ungebändigte Gier nach Macht macht ihn äusserst
erfinderisch. Trotzdem war seine mittelalterliche Darbietung am 23. September
eine amüsante Lächerlichkeit und ein Freilichtmuseum mit 10'000
Möchtegern-Winkelrieds. Dass er dabei erst recht dem Rechtsextremismus in der
Schweiz Tür und Tor geöffnet hat (siehe Platz 4), hat nicht nur eine offizielle
Studie feststellen müssen, mensch erkennt das auch sonst an der Propaganda seiner
Partei und mit ihm verbündeter Kreise. Leider konnte er nicht den ersten Preis
dieses Wettbewerbs einheimsen, denn für seine Narrenfreiheit ist nicht
hauptsächlich er verantwortlich, sondern diejenigen, die ihn wählen. Biwidus hat
unglücksseligerweise nicht genug Giftzwerge, um jedem Wähler/jeder Wählerin einen
zu überreichen, aber das kommt sicher noch, wenn unser Medium florieren sollte.
1. Jacques Chirac
Zu allererst: Stop it, Chirac! Die ganze Welt labert von Abrüstung, und noch nie
in der Menschheitsgeschichte war der Homo Sapiens knapper davor wie heute, aber
der Präsident des Landes, das uns eine weltbewegende Revolution geschenkt hat,
befiehlt selbstherrlich, die Atombomben weiter zu testen. Mag sein, dass er
tatsächlich nach diesen sechs Bömbchen dem Teststopp zustimmen will, aber mit
dieser ersten Entscheidung seiner Laufbahn hat er sich vor der ganzen Welt als
unglaubwürdiger Sonnenkönig des 20. Jahrhunderts geoutet. Die weltweiten Proteste
haben in der grossangelegten Kampagne der Umwelt-Milizen von Greenpeace vor dem
Mururoa-Atoll gegipfelt, die damit sogar die Sympathie von Leuten gewonnen haben,
die ihnen sonst nicht wohlgesonnen sind. In der Schweiz haben einige Male Kinder
und Jugendliche ihrem Protest Ausdruck gegeben. Chirac muss lernen, dass in
unserer vernetzten Weltgesellschaft niemand mehr einfach so willkürlich
irgendwelche Entscheidungen treffen kann, ohne sich mit den Betroffenen (und
davon kann zumindest bei der Jugend sehr wohl die Rede sein) abzusprechen.
"L'Etat, c'est moi" gilt heute einfach nicht mehr, mein lieber Bruder Jacques,
deshalb erhältst Du den Goldenen Giftzwerg Nr. 1. Stop the Bomb, oder die
Geschichte wird es Dir nie mehr verzeihen. Was China macht, ist fast
uninteressant, denn die linksfaschistische Regierung in Peking tut eh, was sie
will und wundert sich, dass sie von der Weltbevölkerung politisch abgelehnt wird.
Aber Frankreich, das die Menschenrechte nach Europa gebracht und der Nachwelt die
Demokratie moderner Prägung hinterlassen hat, darf nicht das einzige Land der
Neuzeit sein, das an diesem apokalyptischen, strategisch und politisch völlig
sinnlosen Spielzeug festhält. Ich hoffe, dass Dir diese Auszeichnung eine Lehre
ist.
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