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23.10.1995

Musicals

Keep Cool

Phantomgeburtstag

Anatevka

Rocky Horror Show

Evita

Phantom der Oper

A Chorus Line

Manche mögens heiss

Holiday on Ice

Da vergeht einem hören und sehen: Holiday on Ice

Auch Glitschiges soll im Biwidus einen Platz haben, wir sind ja nicht so. Und die aktuelle Ausgabe der glitschigsten Revue jenseits des Polarkreises feiert nicht nur ihr 50. Jubiläum, sondern auch ein fünftägiges Gastspiel hier in Zürich. Die Show heisst Holiday goes Broadway und ist eine Ansammlung von mittelmässigen Eislaufpartien und einem Musikpotpurri des chaotischsten Art. Das Patronat (resp. Matronat) übernahmen dieses Jahr das Reisebüro K. und das Lokalradio Z.

Am Mittwoch war die Premiere der Show. Überraschenderweise kam man sehr schnell zu Tickets, sie waren dabei eigentlich gar nicht so billig. Das Eisfeld im Hallenstadion war auf Hochform getrimmt und eine bombastische Kulisse gebaut worden. Nicht ganz so bombastisch war dafür die ZuschauerInnenkulisse, anscheinend gehen die Leute doch lieber selber Eislaufen (oder an den Broadway). Die Medien waren zwar anwesend, aber auch hier scheint es sich herumgesprochen zu haben, dass die in der direkten Nachbarschaft ablaufende Delegiertenversammlung der kantonalen Blocher-Partei bedeutend spannender ist.

Der Conferencier konnte zwar nicht fehlen, dafür auch nicht sprechen, denn sogar die Ansagen waren wahrscheinlich Playback, ein Abstrich. Die Show begann mit einer kleinen Geschichte, wo eine junge Künstlerin fast alles tun wollte, um an den Broadway zu kommen, aber eben: leider nur fast alles. Schon begann mensch zu hoffen, dass (ausnahmsweise bei dieser traditionellen Veranstaltung) eine Story dahinter steckte. Doch dann sprang die Szenerie wieder in der Weltgeschichte herum. Witzig fand ich die zweite Geschichte, als eine Invasion von Schlechten Bären Bärenland heimsuchte und die Guten Bären nur noch vom heroischen Kommander Iwan gerettet werden konnten. Kindisch zwar, und sicherlich auch sehr an Star Trek angelehnt, aber nicht ganz ohne Reiz.

Und dann begann der Abstieg der Show. Das Feld wurde frei gemacht für den Soloauftritt von Denise Bielmann, der etwas gealterten, solariumbraunen Eisprinzessin, die ihre gewohnten Sprünge und Pirouetten aufs Eis legte. Da war mir ihre Vogängerin, die ganz süsse kleine Violetta bedeutend sympathischer. Sogar Andrew Lloyd Webbers Cats waren anwesend, wenn auch in einer abgespeckten Version. Die Geschichte sackte zusehends ab, die PolynesierInnenshow war der erste echte Tiefpunkt. Der einzige Lichtpunkt dieses Programmpunktes war der Kokosgeruch, der uns, passend zum Thema, plötzlich einnebelte. Nur die Pause rettete uns und brachte mich zum ersten und einzigen Hailait des Abends: zu einem Bier.

Holiday on Ice feiert heuer sein 50 jähriges Bestehen, ist aber noch immer auf den Geschmack der 50jährigen angepasst, zumindest im grossen und ganzen. Die Souvenirs und die ganze Feststimmung brachten nicht dieselbe reizvolle Atmosphäre, wie sie sogar im Cafe Grössenwahnsinn üblich ist. Der zweite Teil der Show begann mit einem völlig konstruiert wirkenden Wettbewerb, als ein Moderator vom Radio Z (der einzige echte Witzbold am Abend) den Gewinner zu sich rief. Wie dieser zu seinem Glück gekommen ist, steht auf einem anderen Blatt.

Die Operette über den bescheuerten Zigeunerprinzen, der seine zwei Geliebten verliert, ging ja noch, vor allem der klassissche Sound hatte durchaus seinen Reiz. Und auch der Charlie Chaplin, der auf dem Eis seine Kunststückchen zeigte, war fast fernsehwürdig. Dann aber brach der Auflauf in sich zusammen. Die folgenden Auftritte (u.a. noch einmal von Denise National) waren unnötig und grenzten nicht selten an Langeweile. Kein Wunder, gingen die ersten Gäste schon weit vor dem grossen Finale nach Hause. Auch gewisse Presseleute konnten das Gähnen nicht unterdrücken. Viele waren, froh, als der mühsam und lange vorbreitete Schlussteil endlich sein Ende fand. Das Finale bedeutete für viele auch die knappe Rettung vor dem Einschlafen. Da konnten auch die wenigen echten guten Effekte nicht abhelfen.

Fazit: Ich weiss, warum ich bisher um diese Veranstaltung einen Bogen gemacht habe und dies auch weiterhin tun werde. Ich fühle mich darin bestätigt. Holiday on Ice ist ein Abklatsch früheren Glanzes der 50er, als man die Kriegsgeneration mit allen Mitteln zum Lachen bringen wollte. In unsere Zeit passt diese Revue einfach nicht mehr (jedenfalls nicht für unsere Generation). Sicher, die Eislaufeinlagen sind zum Teil höchst unterhaltend anzusehen und haben völlig ihre Berechtigung. Aber muss man dafür eine solche Material- und Kostümschlacht inszenieren? Wer nächstes Jahr hingehen will, dem wünsche ich jetzt schon viel Vergnügen. Denn auch im 51. Jahr des Holiday on Ice wird das Sprichwort unterstrichen werden: Unkraut vergeht nicht.



Wildcat (EMail) aus dem Hallenstadion Zürich.